American Football: Das Gamble-Team gewinnt denkwürdiges Saisonfinale bei den Bulldogs und steht in der PlayOffs
Tränen der Rührung, Tränen der Erleichterung, Tränen des Glücks. Als Whitehat Stephan Reimer den Football zum Zeichen des Spielende in die Höhe streckte, gab es bei den Minden Wolves kein Halten mehr. Sie stürmten das Feld, ließen ihren Gefühlen freien Lauf. Selbst einem so erfahrenen Footballer wie Zachary Cavanaugh, der in seiner langen Karriere alle Höhe und Tiefen durchgemacht hat, liefen die Tränen. Aber nicht nur bei ihm. Harte Männer saßen in der Hocke und schämten sich ihrer Tränen nicht. Das Wolfsrudel hatte soeben die Meisterschaft in der Regionalliga gewonnen, hatte bei den Bielefeld Bulldogs ein denkwürdiges „Finale“ mit 29:26 (8:13, 15:7, 0:0, 6:6) für sich entschieden und hofft nun, sich in den beiden PlayOff-Spielen gegen die Hannover Grizzlies durchsetzen und den Aufstieg in die GFL2 (2. Bundesliga) perfekt machen zu können.
„Minden ist ein Segen für mich, gerade nach dem für mich so schweren vergangenem Jahr“, war „Zack“ Cavanaugh sichtlich gerührt. „Ich bin sehr dankbar, dass man in Minden an mich geglaubt und mir eine Chance gegeben hat.“ Cavanaugh und die Wolves – das ist eine Erfolgsgeschichte, wie sie besser nicht zu schreiben ist. Und auch das „Finale Furioso“ war geprägt vom Quarterback aus Berlin, der einmal mehr seine Klasse aufzeigte.
„Letztlich war es ein absoluter Teamerfolg. Die Mannschaft hat sich gegenseitig unterstützt – in Offense und Defense. Es zeigt, was für eine großartige Football-Kultur in Minden aufgebaut wurde. Dieses Teamerlebnis war einfach nur geil,“ so der 39-Jährige, der seit 33 Jahren Football spielt.
Vor dem Kickoff stand fest: Sekt oder Selters. Der Sieger gewinnt alles.
Entsprechend intensiv ging es zwischen den beiden ostwestfälischen Rivalen auch zur Sache. Emotional, mit voller Kraft, dramatisch. Fast 2.000 Zuschauern im Stadion Rußheide wurden Zeuge eines denkwürdigen Duells, das erst auf den letzten „Zentimetern“ entschieden wurde.
Und die „Wölfe“ durften sich dabei einer riesigen Unterstützung sicher sein. Fast 500 Fans hatten sich aus der Weserstadt auf den Weg nach Bielefeld gemacht. Und sie machten von der ersten bis zur letzten Minute „volle Kapelle“. „Ihr wart heute unser zwölfter Mann, habt einen Riesenanteil an diesem Erfolg. Das war der pure Wahnsinn. Vielen, vielen Dank für eure Anfeuerung und Rückendeckung“, verneigte sich Sportdirektor Volker Krusche nach Spielende zunächst vor den Fans. „Heute hat sich das Motto unserer Sportart bewahrheitet: Football is Family! Mannschaft und Fans sind bei uns eine Einheit. Der Erfolg geht nur gemeinsam!“
Headcoach Phil Gamble haute in die gleiche Kerbe: „Wir haben die besten Fans in Deutschland. Das hat heute jeder gesehen und gehört.“
Fünf Jahre sind vergangen, seit die Minden Wolves ihr erstes Meisterschaftsspiel absolviert haben. Seitdem zeigt die Kurve unaufhaltsam nach oben: Vier Titel, eine Vizemeisterschaft. Von der untersten Klasse kommend, klopft man nach dem Sieg am Samstag nun am Tor zur 2. Bundesliga an.
Doch bevor es dazu kam, stand ein unglaubliches Duell bevor. Eines, dass ganz nach dem Geschmack von „Zack“ Cavanaugh war. „So sollte ein Meisterschaftsspiel aussehen.“ Und er war es auch, der die erste Duftmarke des Spiels setzte. Zwar glitt sein erster Pass RayShon Fletcher noch durch die Finger, doch der erste Drive wurde im zweiten Versuch veredelt, als Fletcher den Ball diesmal sicher in „Verwahrung“ nahm und in die Endzone stürmte. Cavanaugh selbst sorgte mit einer gelungenen Two-Point-Conversion für die 8:0-Führung.
Doch die Bulldogs schlugen zurück. In Person von Malik Brown. Der Bielefelder Quarterback lieferte über die gesamte Spielzeit eine „One-Man-Show“ ab, erlief alle vier Touchdowns der Gastgeber und erzielte 24 der 26 Punkte für das Hometeam.
Die Nummer 13 war es auch, die sich mit Cavanagh nicht nur ein Quarterback-Battle lieferte, sondern den Spieß zunächst auch zum 13:8 umdrehte. Es hätte ein Momentum von besonderer Bedeutung für Bielefeld sein können, denn aufgrund eines Helmstoßes wurde Mindens in den letzten Spielen Bester, Bernardo Horevitch, ejected. Damit war den Wolves eine Hauptwaffe genommen.
Doch anstatt den Kopf hängen zulassen oder gar in den Sand zu stecken, wirkten die Gäste trotzig und rissen das Ruder wieder herum. Nach tollem Lauf des Berliners Max Zimmermann, der die Wolves in diesem Spiel verstärkte, nutzte Zachary Cavanaugh die sich bietende Chance und trug das „Ei“ aus kurzer Distanz in die Endzone. Zimmermann veredelte den Angriff mit einer gelungenen Two-Point-Conversion zum 16:13.
Dann zeigte Luan A. de Arredo, warum ihn die „Wölfe“ in der Sommerpause aus Lissabon geholt haben. Der Brasilianer fumbelte das Leder an der gegnerischen 27 Yard-Marke und brachte sein Team wieder in Ballbesitz. Cavanaugh kam bis auf elf Yard an die Goalline heran, anschließend wurde das „Ei“ bis auf ein Yard vor die Endzone gebracht. Von dort aus hatte „Zack“ Cavanaugh keine Mühe, den Ball per Quarterback-Sneak zum Touchdown über die Linie zu halten. Durch Tobi Pauls PAT hieß es wenig später 23:13 für die Gäste.
Dann aber handelte sich auch Luke Mazurowicz einen Platzvereis aufgrund eines Targetings, so sahen es die Referees, ein. Er und Horevitch wurden noch am Sonntag für das PlayOff-Hinspiel am Samstag gesperrt.
Diesmal trug Bielefeld den Ball bis zur Ein-Yard-Linie, von wo Malik Brown keine große Mühe hatte, ihn über die Goalline zu bugsieren. Per PAT verkürzten die Bulldogs zum 20:23-Halbzeitstand.
Das dritte Viertel zeigte dann deutlich auf, worum es unter Flutlicht ging. Beide Teams schenkten sich nichts. Die Abwehrreihen dominierten nun das Spiel. Immer wieder war die Offense in guter Position – Zählbares sprang in diesen zwölf Spielminuten aber hüben wie drüben nicht heraus.
Anders als im letzten Quarter. Zunächst versagten die Unparteiischen einem Touchdown von René Lange wegen eines Holdings die Anerkennung. Beim anschließend Fieldgoalversuch war der Block zu löchrig, so dass Tobias Pauls beim Kick attackiert werden konnte. Fünf Minuten vor Schluss war es dann erneut Malik Brown, der einen Lauf in die Endzone brachte. Auch wenn der folgende PAT vorbeiging, hatten die Bulldogs aus einem 13:23 ein 26:23 gemacht.
Das Pendel schien in die andere Richtung auszuschlagen. Gut zwei Minuten vor dem Ende fing Max Zimmermann mit einem tollen Catch bei „dritter Versuch und Fünf“ und bescherte den Wolves ein neues First Down. Dann verhaute Yannis Konkol den Snap. Der flog über „Zack“ Cavanaugh. Erst versuchte der Minden Quarterback den Ball zu sichern, dann ein Bielefelder das freiwerdende Leder. Letztlich griff Mindens „QB“ zuerst zu, so dass die Referees auf Ballbesitz Minden entschieden. Glück für die Gäste. Das hätte auch ins Auge gehen können. Tiefes Durchatmen in der Wolves-Teamzone und beim Mindener Anhang.
Das Two-Minute-Warning ließ die Gemüter etwas abkühlen. Danach trug „Zack“ Cavanaugh den Ball bis kurz vor die Endzone, wo er in der letzten Spielminute auf RayShon Fletcher passte, der mit dem „Catch der Saison“ den Touchdown zum 29:26 erzielte. Pauls PAT verfehlte anschließend sein Ziel.
Die Sekunden tickten herunter. Bei den Wolves wurden Erinnerung an das Hinspiel wach, als die Bulldogs das Ruder in der letzten Minute zum 29:28-Seg herumreißen konnten. Diesmal lief ihnen allerdings Zeit davon. Noch 38 Sekunden, noch zwölf Sekunden, dann noch zwei Sekunden. Und als die abgelaufen waren, lief das ganze Team aufs Feld. Aber das Spiel war noch nicht vorbei. Es lag eine Flagge auf dem Feld. Wenig später dann die endgültige Erlösung. Das Spiel war zu Ende, die Minden Wolves Meister der Regionalliga West.
Neben Cavanaugh wurde ein weiterer Akteur von seinen Mitspielern kräftig geherzt: RayShon Fletcher. Er hatte seiner schweren Verletzung, der vor zwei Jahren 16 Operationen mit einer Nerventransplantation mit der Aussage, dass er nie wieder würde seinen Sport betreiben könne, folgten, getrotzt, hatte hart an sich gearbeitet und war im April zu jenem Verein zurückgekehrt, der so viel für ihn bedeutet. Und nun war er es, der den entscheidenden Hieb setzte. Ein Happyend für den Fletcher. Ein Happyend für die Minden Wolves.
Foto: Hendric-Noah Pieper